Bebel Gilberto:  João

Eine Hommage an den berühmten Vater: Bebel Gilberto hat sich jetzt endlich das Naheliegende zugetraut. Ihr Bossa-Nova-Album „João“ wird dem Anlass gerecht.

von Werner Herpell

Es musste ja irgendwann passieren, dass die künstlerisch schon so lange auf eigenen Füßen stehende Bebel Gilberto sich diese Hommage zutraut. Denn es ist ein großes Erbe, vielleicht aber auch eine schwere Bürde, die Tochter des Bossa-Nova-Pioniers schlechthin zu sein. Jetzt, mit 57 Jahren, hat die in New York geborene brasilianische Singer-Songwriterin ein Album aufgenommen, das ausschließlich den stilprägenden Liedern ihres Vaters João Gilberto gewidmet ist. Und Isabel Gilberto de Oliveira alias Bebel Gilberto wählte einen äußerst dezenten, für manche ihrer Fans vielleicht auch allzu braven Ansatz, um diese Latin-Pop-Preziosen zu würdigen.

Dem Vater so nah wie möglich

Bebel Gilberto Jao Cover PIAS Recordings

Denn im Gegensatz zu einigen ihrer besten Soloalben, auf denen sie

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den traditionellen warmen Bossa Nova, smarten Lounge-Jazz und moderne, kühle Electro-Sounds kongenial zu etwas Neuem verschmolz, ist das Tribute-Werk „João“ sehr sparsam arrangiert, aufs wirklich Wesentliche des jeweiligen Songs beschränkt. Andererseits ist dies wohl eine Möglichkeit, dem verehrten Vater so nahe zu kommen wie auf dem Albumcover, dessen zärtliches Foto von ihrer Mutter Miúcha aufgenommen wurde.

Der Gitarrist, Sänger und Songschreiber João Gilberto war 2019 nach rund 70-jähriger Musikkarriere mit 88 Jahren gestorben, er gilt als Erfinder des Bossa Nova neben Antonio Carlos Jobim. Dieser wiederum komponierte „The Girl From Ipanema“, das in der ultralässigen Latin-Jazz-Version von Saxofonist Stan Getz mit João und Astrud Gilberto (1963) zum Welthit wurde. Bebel Gilberto interpretiert nun elf Lieder ihres Vaters, von denen „Desafinado“ und „Ela é Carioca“ wohl die bekanntesten sind. Produziert vom Studio-As Thomas Bartlett und geprägt durch die federleichten Gitarren-Arrangements von Guilherme Monteiro, umfasst die Songauswahl auch weniger berühmte Stücke, die João Gilberto extra für seine Tochter schrieb.

„Von Geburt an beeinflusst“

„Seit meinem ersten Album habe ich nie irgendwelche Musik meines Vater gecovert“, sagt Bebel Gilberto. „Nun ist es Zeit, der Öffentlichkeit die Lieder von João Gilberto zu präsentieren, die mich von Geburt an beeinflusst haben. Lieder, die ich in meiner ganzen Kindheit hörte.“ Sie habe dabei versucht, „das Offenkundige zu vermeiden. Es ging darum, auf seine Musik zu blicken, ohne nur ‚die üblichen Verdächtigen‘ herauszugreifen.“

Bebel Gilberto erinnert sich lebhaft an die Zeit mit dem Musikgenie. „Ich wachte auf, brachte ihm seinen Kaffee, und er spielte Gitarre. Das war ganz normal, es war Teil des Lebens.“ Die Herzlichkeit dieses Rückblicks der Sängerin äußert sich auch in den Aufnahmen – die eher konservative Produktionsweise von „João“ ergibt mehr Sinn, wenn man den familiären Hintergrund kennt. „Ich musste so viele Lieder erst lernen, indem ich sie wieder und wieder hörte. Aber ich schätzte seine Phrasierung, warum er so (leise) sang, und warum er diese Worte wählte.“

Bebel Gilberto singt „Liebesbriefe zur Musik“

Ausgangspunkt für die Tochter waren zwei väterliche Schlüsselalben: „João Gilberto“ von 1973, oft als sein“Weißes Album“ bezeichnet, und das üppig arrangierte „Amoroso“ von 1977. „Das sind Liebesbriefe zur Musik“, sagt Bebel Gilberto. „Da steckt so viel Naivität drin. Und es ist faszinierend, wie viele Herzschmerz-Liebeslieder er gesungen hat. Künstler sind halt auch nur Menschen.“ Mit ihrer bisher persönlichsten Platte setzt die vielseitige Musikerin eine respektable Karriere fort, die sie über die „World Music“-Nische weit hinausgeführt hat.

Das Album „João“ von Bebel Gilberto erscheint am 25.08.2023 bei [PIAS] Recordings. (Beitragsbild von Bob Wolfenson)

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